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Das was jetzt noch hinzukommt ist die Tatsache, dass handwerkliche Berufe in der modernen Gesellschaft keinen Status haben und es fast nur noch Akademiker geben wird. Kaum ein handwerklicher Betrieb findet noch Auszubildende welche dann auch bleiben. Ausbildung-Weiterbildung-Chef ist so der normale Wunschwerdegang. Auf dem erlernten Beruf zu arbeiten ist kaum noch der Wunsch eines Berufsanfänger. Schichtarbeit will kein Mensch mehr, erwartet aber dass andere 24/7 verfügbar sind.
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Ich finde die Entwicklung prinzipiell ganz und gar nicht gut, kann aber genauso gut junge Menschen, die "etwas im Kopf haben" verstehen, dass sie kein Interesse daran haben, einen Beruf mit schlechteren Arbeitsbedingungen (Dreischichtsystem, Hitze, teilweise Schmutz, Lärm) für weniger "Schmerzensgeld" (Lohn) und wenig Anerkennung (in Gesellschaft UND Betrieb) zu ergreifen, wenn die Qualifikation für eine angenehmere Arbeit möglich ist.
Den "Maßstab", was ein würdiger Job ist, haben Industrie und Medienöffentlichkeit zu großen Teilen selbst verrissen - ich habe meine Schulausbildung in den 2000ern beendet und damals galt - überspitzt ausgedrückt! - alles ohne Abi als unfähig und wer eine Handwerksausbildung machte, hat zu nichts anderem getaugt.
Sehe ich heute, knapp 20 Jahre später natürlich auch anders (zumal vor ca. 10 Jahren auch Hochschulabgänger zu 2/3. erst einmal nur über Leiharbeit überhaupt Arbeit fanden), aber wie soll ein 16 oder 18 Jähriger sich selbst ein Bild machen können?
Wenn ein ausgebildeter Facharbeiter ohne Sonderzuschläge im Herbst von der Anhebung des Mindestlohnes profitiert und dann rollende 6-Tage-Woche arbeitet, um seine frisch gegründete Familie genau am Sonntag zu sehen, frag' ich mich doch: warum sich das antun?
Und "weil es die Wirtschaf/Gesellschaft braucht" ist für mich kein Argument - denn Mietnachlass oder ermäßigte Kino- und Straßenbahntickets gibt es auch nicht für "gesellschaftlich wertvolle" Berufe!